Im Vorfeld der anstehenden Bundestagswahl wurden die deutschen Laternenmasten wieder mit unzähligen Wahlplakaten dekoriert. Auch in Zeiten von Fernsehen und Facebook ist das Ur-Medium Wahlplakat noch immer ein wichtiger Eckpfeiler des politischen Marketings, der sich im Laufe der Jahre allerdings auch stark gewandelt hat.
Grundsätzlich stellt sich die Frage, was ein gutes Wahlplakat (abgesehen von dem rein politischen Inhalt) auszeichnet. Ist es eher die Aufbereitung des Inhaltes? Ist es der sympathisch schauende Politiker? Und haben Wähler unterschiedlicher Parteien hier auch unterschiedliche Präferenzen?
Mehr Bild und mehr dafür
In einer repräsentativen Studie mit 574 Probanden wurden genau diese Fragestellungen untersucht. Im Vorfeld wurden durch eine Expertengruppe aus Kommunikations-, Psychologie- und Designexperten die typischen Gestaltungeigenschaften eines Wahlplakates mit samt ihren möglichen Ausprägungen analysiert. Zu diesen Eigenschaften gehören neben der Einbindung von Bildern und Fotos auch die farbliche Gestaltung, der Textanteil, die Typografie eines Textes und die linguistische Aufmachung des politischen Inhaltes. Im Rahmen einer Choice-Based Conjoint-Analyse (CBCA) wurden den Probanden fiktive Wahlplakate präsentiert, aus denen sie ihre Favoriten auswählen sollten.
Die Analyse der Ergebnisse zeigt, dass vor allem die inhaltliche Richtung der politischen Botschaft für die Betrachter eine hohe Bedeutung hat. Ein „Für den Atomausstieg“ hat somit mehr Nutzen für die Wähler als ein „Gegen Atomkraft“, obwohl beiden Forderungen die gleiche politische Ideologie zu Grunde liegt. Neutrale Aussagen wie „Für Sie in den Bundestag“ als Claim für Direktkandidaten weist für die Wähler keinen Nutzen auf.
Ebenfalls wichtig sind der Einsatz von Bildern und die farbliche Gestaltung von Wahlplakaten. Anstelle von klassischen Kandidatenportraits bevorzugen die meisten Wähler szenische Bilder, die Personen in natürlichen und aktiven Situationen zeigen. Die szenischen Bilder spielen auch für die Farbgestaltung eine große Rolle, da besonders großflächige Bilder, auch als Hintergrund, hohen Nutzen im Vergleich zu einfarbigen oder stark kontrastreichen aufweisen.
Weniger von Bedeutung sind der Textanteil, also das Text/Bild-Verhältnis, und die Typografie. So erzielen Parteien durch konsequenten Einsatz von Versalien keinen zusätzlichen Nutzen. Auch das Abdrucken des Textes in Übergröße führt nicht dazu, dass das Plakat automatisch als „besser“ angesehen wird. Groß gedruckte Texte können lediglich die Lesbarkeit, besonders für Autofahrer, verbessern.
Diese Präferenzen unterscheiden sich zwischen verschiedenen Parteiwählerschaften nicht besonders. Besonders die Unterteilung in die drei wichtigen Eigenschaften (Inhalt, Bild und Hintergrund) und die beiden weniger wichtigen Eigenschaften (Textanteil und Typografie) ist über alle Parteiwählerschaften konsistent.
Aktuelle Kampagnen im Vergleich
Bei der Betrachtung der aktuellen Bundestagswahlkampagnen der Parteien können einige Unterschiede in der Gestaltung der Wahlplakate beobachtet werden. Werden die Ergebnisse der Untersuchung zu Grunde gelegt, können die Plakate der FDP am ehesten als „die besten“ bezeichnet werden. Großflächige, szenische Bilder dominieren die Plakate, die von teils sehr langen aber sehr intelligenten Statements geschmückt werden. Die Plakate der Noch-Regierungsparteien werden hingegen von stereotypischen Politiker- Portraits und teils wenig konkreten Forderungen dominiert.
Somit ist auch die inhaltliche Komponente über die Parteigrenzen inkonsistent. Während besonders AfD und Linke klare Forderungen formulieren, will die CDU Deutschland einfach „gut“ und die SPD Deutschland „gerechter“ machen. Die SPD greift hierbei auf teils lange und umständlich formulierte Erklärungen zurück, während die CDU größtenteils mit Aussagen wirbt, die die meisten anderen Parteien auch unterstützen wollen (oder gibt es jemanden, der gegen ein Deutschland ist, in dem man gut und gerne lebt?).
Die FDP setzt in ihrer Kampagne alles auf Christian Lindner. Die Erfolge von AfD und Donald Trump zeigen, dass viele Menschen eine Abneigung gegenüber den typischen „Establishment“-Politikern haben. Als ein solcher ist Lindner als langjähriges Parlamentsmitglied (Bundestag und Landtag NRW) sicherlich anzusehen. Auf den Plakaten wird er aber ganz anders inszeniert. Die Bilder sind szenischer, authentischer und intimer und wirken so natürlicher.
Die Grünen setzen in ihrer Kampagne voll auf ihr Kernthema, obwohl sie wissen, dass dieses Thema „nicht der heiße Scheiß“ ist (Göring-Eckardt). Die Grünen nennen auf ihren Plakaten aber nur Ziele (Umwelt schützen) aber keine Maßnahmen (z.B. Dieselfahrverbote). Letzteres wäre zwar konkreter, würde aber auch viele Wähler verprellen. AfD und Linke punkten hingegen bei Wählern, die klare Probleme und eindeutige Wünsche haben.
Eine isolierte Betrachtung der Wahlplakate zur Prognostizierung oder Erklärung der Wahlergebnisse ist nicht möglich, da Wahlplakate nur eines von vielen Zahnrädern in der Wahlkampfmaschine sind. Wahlplakate sind aber ein Abbild des gesamten Wahlkampfes und der wirkt bei AfD und Linken sehr themenbezogen und konkret, bei den Grünen sehr kernthemenlastig, aber optisch gut abgestimmt, bei der FDP erfrischend neu und unüblich, bei der CDU „genauso wie gestern, weil gestern hat’s ja auch schon funktioniert“ und bei der SPD wirkt Gerechtigkeit, mehr nicht.
Ein Gastbeitrag von Lucas Maserski, Studierender des Master-Studiengangs Corporate Management (M.Sc) an der University of Europe for Applied Sciences.
25.09.2017 | By Lucas Maserski, Corporate Management | Category: Students